Flaggentag des LRV im Bärensaal des Alten Stadthauses
„Berlins Ruderer haben Weltniveau und sind die Besten, die wir je hatten!“
Ort war dem Anlass angemessen, beides gehört in die Kategorie „Besonders". Seit über hundert Jahren treffen sich die Berliner Ruderinnen und Ruderer alljährlich zu ihrem Flaggentag, um gemeinsam mit Vertretern des öffentlichen Lebens und Freuden des Verbandes die Bilanz des Vorjahres zu ziehen und die Besten aus Spitzen- und Breitensport für ihre Erfolge, Titel und Medaillen, für vielfach abgelegte Fahrtenabzeichen und Äquatorpreise zu ehren.
Diesmal fand die stimmungsvolle knapp dreistündige Veranstaltung im altehrwürdigen Bärensaal des Alten Stadthauses gegenüber vom Roten Rathaus in der Mitte Berlins statt und gab dem Ereignis eine außergewöhnliche Aura. Einst residierte hier der DDR-Ministerrat, jetzt ist die Senatsverwaltung für Inneres und Sport in dem beeindruckende Gebäude zu Hause.
Ruderer passten wunderbar zu der Örtlichkeit, sie nahmen für ihren Flaggentag davon mit Respekt und Selbstverständlichkeit Besitz. Das Rennrudern hat zwar in der Medienöffentlichkeit der Hauptstadt trotz ihrer an Medaillen ablesbaren Erfolge nur Randsportstatus, aber das sie bei denen „vom Fach" einen beachtlichen Stellenwert hat, war an der Präsenz von Sport-Staatssekretär Thomas Härtel, von LSB-Präsident Klaus Böger, von mehreren Berliner Abgeordneten (z.B. die Sportpolitischen Sprecher ihrer Fraktionen Felicitas Kubala/Grüne und Sebastian Czaja/FDP), dem Ehrenpräsidenten des Deutschen Ruderverbandes (DRV) Helmut Griep und diversen weiteren Prominenten ablesbar. Für die musikalische Umrahmung sorgte die „Berliner Liedertafel", die mit ihren sonoren Männer-Vokalisen Ruderweisen und Gassenhauer (wie z.B. den „Kleinen, grünen Kaktus" von den Comedian Harmonists) erschallen ließ - sogar eine Komposition von Kaiser Wilhelm II. Gehörte dazu.
Für den richtigen Ton bei den Worten gab es gleich mehrere Protagonisten, die durch die Bank Beifall verdienten. Der LRV-Vorsitzende Werner Stahr würdigte die Leistungen der Aktiven in der vergangenen Sonntag und gab einen Ausblick auf die Herausforderungen des vorolympischen Jahres. Staatssekretär Thomas Härtel lieferte den sportpolitischen Rahmen.
Böger betonte die Rolle des Rudersports im modernen gesellschaftlichen Leben. Helmut Griep lobte Berlin als „Hochburg des deutschen Rudersports - nirgendwo sonst gibt es so viele Vereine auf einem Fleck". Interessant, streitbar, anregend war das Gastreferat von Jutta Abromeit, Mitte der 80er Weltmeisterin für die DDR und heute Journalistin, über „Gedanken zum Leistungssport". Ein kurzes Zitat soll hier als Beispiel stehen: „Hinterher lamentieren hat wenig Zweck. Es muss durch den Kopf, was man schaffen will. Dann ist man auf alle Situationen in einem Rennverlauf eingestellt und kann seine Ziele erreichen."
Uwe Graf, Sportvorsitzender beim Berliner Ruder-Club (BRC) und auch Leistungssport-Vorstand beim LRV, nahm die Ehrung der Medaillengewinner von WM und EM bei den Elite- und Nachwuchssportlern vor, die Wanderruder-Beisitzerin Gabriela Brahm die für die Fahrtenabzeichen und Äquatorpreise vor. Bei den Top-Athleten durfte man sich immerhin über je zwei Welt- (Martin Sauer, Linus Lichtschlag) und Europameister (ebenfalls Sauer und Lichtschlag), weitere Medaillen und Vorderplätze freuen. Auch bei den U23- und JWM Titel und Medaillen. Uwe Graf: „ Berlin war in allen drei Nationalmannschaften mit 22 Sportlern aus 12 Vereinen vertreten." Mit 35 Kadersportlern belege im bundesweiten Vergleich der LRV hinter Nordrhein-Westfalen Rang 2. Sein Fazit klang stolz: „Berlins Ruderer haben Weltniveau und sind die besten, die wir je hatten."
Graf garnierte die Lobesworte für die Hauptstadt-Aktiven aber auch mit einige kritischen Bemerkungen in Richtung DRV. Die Kaderkonzentration in Dortmund sei in Bezug auf den Achter von Ralf Holtmeyer okay, aber man müsse da nicht auch noch die Zweier und Vierer dazuschlagen. „Ich bin der Meinung und ich schlage vor: Zweier und Vierer gehören nach Berlin", sagte er unter starkem Beifall der Zuhörerschaft. Generell sei die Hauptstadt rudersportlich auf dem richtigen Weg, erklärte er mit Blick auf das Schlussbild der Geehrten mit Aktiven und Trainern aus dem LRV und von verschiedenen Vereinen. „Vor ein paar Jahren wäre ein solch geschlossenes Auftreten nicht selbstverständlich gewesen. Wir haben es über viele vertrauensbildende Maßnahmen erreicht." Das sei erfreulich und gut so, aber auch nur ein Anfang. „Wir wollen die Zahl unserer Kaderathleten weiter steigern und bei internationalen Meisterschaften erfolgreich sein."
Zum geschlossenen Gesamtbild, von dem Graf sprach, gehören als fester Bestandteil auch die Freizeit- und Wanderruderer. Schließlich kann man das Verhältnis zwischen Spitzen- und Breitensport im LRV etwa auf 20:80 taxieren. So war denn auch ihre Ehrung beim Flaggentag kein Anhängsel, sondern eine Höhepunkt. Klaus Haberland (ProSport Berlin 24) wurde für 120 296 zurückgelegte Ruderkilometer für den dritten Äquatorpreis geehrt - großartig! Den ersten holte sich Lieselotte Biel (Astoria-RG in der Berliner Turnerschaft) für 41 915 km. Zwei Beispiele von 12, die quasi mindestens einmal im Boot sinnbildlich um den Erdball gefahren sind. Fünf weitere Ruderenthusiasten durfte im Bärensaal zum 40. Mal ihr Fahrtenabzeichen entgegen nehmen.
Der Flaggentag bot auch diesmal wieder so viele spannende Geschichten, dass die LRV-Webseite darauf in der näheren Zukunft zurückkommen wird. Freuen Sie sich also auf Jutta Abromeits Erfahrungen, Erkenntnisse und Gedanken, auf Porträts von Klaus Haberland und Lieselotte Biel.
P.S. Auch das war ein Signal für die Ruderzukunft und ein Signal für die (finanzielle) Kooperation mit Politik und Wirtschaft: Beim Flaggentag tauften Sportstaatssekretär Thomas Härtel und Veolia-Repräsentantin Dr. Petra Warnecke vom LRV-Topsponsor einen Vierer auf den Namen „Unser Element".