Inklusion ohne darüber zu reden

Christiane Möller ist eine Ruderin wie viele andere. Sie liebt ihren Sport über alles. Mehrmals in der Woche steigt sie ins Boot und genießt die Bewegung an frischer Luft. „Morgens liebe ich die Ruhe und totale Friedlichkeit auf dem Wasser“, sagt sie. „Abends nach der Arbeit komme ich runter“. Seit 2016 ist sie Mitglied im Ruderklub am Wannsee. Sie fühlt sich dort heimisch, hat extra ihren Wohnsitz in die Nähe verlegt. Sie kennt viele Vereinsmitglieder und viele kennen sie. Egal wann sie zum Rudern kommt – sie ist nie allein. Es findet sich immer ein Team, mit dem sie losfahren kann. Das ist wichtig für sie, denn sie ist von Geburt an nahezu blind.

 

 

 Die 39-Jährige hat Rudern schon als Jugendliche gelernt. In Marburg, wo sie ihr Abitur gemacht hat, war es Schulsport. Als sie nach ihrem Jura-Studium und den ersten Jobs 2015 nach Berlin kam, suchte sie einen sportlichen Ausgleich zu ihrer Arbeit als Justitiarin im Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverband. Sie hatte zuvor auf höchstem Niveau Goalball gespielt, eine Mannschaftssportart für blinde und sehbehinderte Menschen. Sie vertrat Deutschland bei zwei Paralympischen Spielen. Aber nach dem Einstieg in den Berufsalltag änderten sich ihre Prioritäten: „Goalball ist mit sehr viel Konzentration aufs Hören verbunden. Das wurde mir zu viel. Ich wollte lieber Sport draußen und mit Sehenden zusammen machen,” sagt sie.

 

 Der Mann einer Arbeitskollegin empfahl ihr den Ruderklub am Wannsee. „Rudern ist eine tolle Bewegung, beansprucht den ganzen Körper,” schwärmt sie. Aber ganz besonders wichtig ist für sie: „Ich kann das Gleiche machen wie die anderen, ganz gleichberechtigt, – egal, ob es ums Rudern oder hinterher ums Bootputzen geht”. Sie findet gut, dass auf diese Weise Inklusion stattfindet – ohne ständig darüber zu reden. Sie ist dankbar, dass das beim RaW so gut funktioniert: „Ich nehme eine große Offenheit wahr, ich wurde selbstverständlich in die Gemeinschaft aufgenommen.” Sie macht alles mit, was sie sich zutraut: Skiff fahren, Riemenrudern, Wanderfahrten. Letztes Jahr war sie bei der Wanderfahrt auf dem Rhein mit dabei, als es tagelang in Strömen regnete. An heißen Tagen rudert sie nach Kälberwerder zum Baden. Eine ihrer Lieblingstouren ist die 17-Kilometer-Umfahrt um die Wannseeinsel.

 

 Kann sie etwas nicht, dann sagt sie es geradeheraus: „Wenn wir bei Wanderfahrten irgendwo anlegen, wo es keinen richtigen Steg gibt, dann bitte ich jemanden, mir zu helfen. Klar zu sagen, was geht und was nicht, ist wichtig – für alle.” Sie hat keine Scheu, ihre Vereinskameraden ihr gegenüber auch nicht. Obwohl Christiane Möller gut rudern kann, will sie weiter an ihrer Technik arbeiten und sich verbessern. Deshalb fährt sie auch gern mal mit einem Renn-Einer. Sie hört dann auf die „Steuerbord“- und „Backbord“-Rufe ihrer Begleitung. „Natürlich fahre ich immer ein bisschen Schlängellinie. Aber wenn ich nicht sauber rudere, dann spüre ich das unmittelbar und weiß, dass es definitiv an mir liegt.” Das Feedback ist ihr wichtig. „Ich kann ja keine Videoauswertung machen.”

 

 Für Christiane Möller ist Rudern ein idealer Sport für Sehbehinderte: „Im Boot gibt es in der Regel ganz präzise Ansagen und man kann über das eigene Bootsgefühl den Rhythmus genau nachvollziehen und übernehmen.” Rudern ist für sie wie geschaffen: „Beim Rudern ist die Welt in Ordnung“.

 

 Text: Angela Baufeld, Fotos: Irene Thiede, Ruderklub am Wannsee

 

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