Landesruderverband Berlin e.V.

Wie die blanke Angst gewichen ist

Die Handicaps von Hevella trainieren in ungesteuerten Rennbooten für die Special Olympics World Games 2023 in Berlin

 

 

„Wellen toben auf der Havel. Auch im Motorboot schaukelt es ganz schön. Nachmittags war es noch schlimmer. Gute Nachricht: Umgekippt ist noch keiner, seit wir ab Mitte Juni in den Para-Booten trainieren. Toi, toi, toi." Monika Tampe berichtet per WhatsApp von einer Trainingsfahrt ihrer Handicaps beim Berliner Ruder-Club Hevella. Die 72-Jährige trainiert die Gruppe und leitet die Reha- und Behindertensport-Abteilung schon seit vielen Jahren. Ihr Elan ist ungebremst. Aber jetzt ist sie doppelt motiviert: Rudern ist Demonstrationssportart bei den Nationalen Spielen für Menschen mit geistiger Behinderung 2022 in Berlin und bei den Special Olympics World Games, die ein Jahr später ebenfalls in Berlin stattfinden. Bei der weltweit größten inklusiven Sportveranstaltung für Athletinnen und Athleten mit geistiger und mehrfacher Behinderung will der BRC Hevella die Sportart Rudern für alle erfolgreich präsentieren.

 

 

Seit Juni trainieren die Hevella-Handicaps sogar in Para-Booten. Diese Boote können auch im Einer und Zweier ungesteuert gerudert werden, was die Handicaps normalerweise nicht machen. Aber Monika Tampe hatte sich entschlossen, mit ihren Schützlingen bei den Berlin-Brandenburger  Landesspielen 2021 für Sportlerinnen und Sportler mit geistiger Behinderung an den Start zu gehen. Dort sollte in diesen Booten gerudert werden. Da Hevella keine eigenen Para-Boote besitzt, stellte der Leiter des DRV-Kompetenzzentrum für Para-Rudern in Rüdersdorf, Lutz Bühnert, einen Einer und einen Zweier zur Verfügung – kostenfrei und zeitlich begrenzt. „Lutz hat sich wohl über meinen Entschluss zur Teilnahme an den Landesspielen in Schwedt so gefreut", sagt Monika Tampe, „dass er die Boote höchstpersönlich zu uns nach Tiefwerder gebracht hat." Er half sogar beim Aufriggern. Seine Unterstützung wertet sie als einen Vertrauensbeweis für ihre Arbeit mit den Handicaps.

 

 

„Für mich bedeutet das Training in den Para-Booten viel zusätzliche Stunden bei Hevella und im Motorboot als verantwortliche Trainerin", so Monika Tampe. Erst musste sie herausfinden, wer von ihren Schützlingen sich überhaupt traut, in einem umgesteuerten Boot zu rudern. Alle durften es mal ausprobieren. Dann stellte sie die Trainingsgruppe für die Landesspiele zusammen. Die erste Ausfahrt war für alle neu und aufregend. „Manchen stand die blanke Angst in den Augen", erinnert sich die Trainerin. Sie ruderten zunächst nur wenige hundert Meter bis zum nächsten Bootshaus. Monika Tampe gab die Anweisungen aus dem Motorboot. Das hatte sie zuletzt vor zehn Jahren gemacht. „Gott sei Dank hat alles geklappt in den ungewohnten, ungesteuerten Rennbooten," so die Trainerin. Die Handicaps wurden von Tag zu Tag sicherer und die Ausfahrten immer länger. Im Team wuchs die Zuversicht, dass die Regatta bei den Landesspielen in Schwedt zu schaffen sei. Die Herausforderung war groß: „Im 2x muss der Ruderer oder die Ruderin im Bug in der Lage sein, das Boot selbstständig zu steuern. Das ist nicht einfach zu erlernen für Menschen mit einer geistigen Beeinträchtigung und nicht alle unserer Handicaps trauen sich das zu." Monika Tampe wusste von Anfang an: „Natürlich ist in einem Monat nicht alles hundertprozentig zu erlernen, aber alle geben ihr Bestes."

 

 

Die erste Etappe haben die Handicaps von Hevella inzwischen erfolgreich absolviert: Die Ruder-Wettbewerbe der Berlin-Brandenburger Landesspiele 2021 wurden am 7. August 2021  in Schwedt ausgetragen. Berlin war mit dem Ruderclub Rapid und dem BRC Hevella vertreten und Brandenburg mit Ruderinnen und Ruderern aus Rüdersdorf und Schwedt. Auf dem Programm standen auch Unified-Rennen, bei denen Ruderer mit und ohne geistige Behinderung gemeinsam in einem Boot sitzen. Ursprünglich sollten 500 Meter absolviert werden. „Aber die Regatta-Strecke unter Wasser war verkrautet, es konnten nur 200 Meter freigeräumt werden, berichtet Monika Tampe. Sie freut sich über den Erfolg ihres Teams: „Wir haben alle Rennen für Hevella gewonnen. Die Macher von Special Olympics waren erstaunt, wie gut die Handicaps rudern können. So toll haben sie es sich nicht vorgestellt.“

 

 

Monika Tampe ist stolz auf jede persönliche Leistung ihrer Sportlerinnen und Sportler.  Vor allem aber freut sie sich sehr darüber, „dass unsere Handicaps durch die Teilnahme an Veranstaltungen der Special Olympics wieder schöne neue Erlebnisse haben und Erfahrungen machen können und damit ihre Welt noch bunter und reicher wird".

 

 

Nun möchte das Hevella-Team ein Para 1x und ein Para 2x für den Verein kaufen. Aber die Boote sind teuer. Der Verein hofft auf Spenden, um weiterhin erfolgreich für die Special Olympics trainieren zu können.

 

Text: Angela Baufeld

 

Fotos: BRC Hevella

 

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