Landesruderverband Berlin e.V.

Beginn und Ende eines Traumes

 

Von Franziska Haupt (Ruder-Club Tegel 1886 e.V. (mit Merle Schwarz)

 

 

Ereignisreiche Wochen liegen hinter den beiden aktuellen Spitzensportler*innen Alyssa Meyer und Olaf Roggensack vom Ruder-Club Tegel - ein Überblick über den aktuellen Stand des deutschen Frauen- und Männerachters.

 

Olympia-Traum geplatzt

 

Vom 15.-17. Mai fand die Final Olympic Qualification Regatta in Luzern (Schweiz) statt, die letzte Möglichkeit also, sich ein Ticket für die Olympischen Spiele in Tokyo zu sichern. Für Alyssa vom Ruder-Club Tegel und ihr Team des deutschen Frauenachters stand viel auf dem Spiel, mussten sie doch für das heiß begehrte Ticket ihren Bugball als erstes oder zweites über die Ziellinie schieben. Und starke Gegner waren zu erwarten.

 

Um die optimale Mannschaftsbesetzung für das alles entscheidende Rennen zu finden, änderte Cheftrainer Tom Morris drei Wochen vor der Regatta kurzfristig die Mannschaftsbesetzung des Frauenachters. Drei Riemerinnen der Steuerbordseite mussten ihren Rollsitz für neue altbekannte Gesichter räumen. „Generell verlief dieses Jahr eher schwierig. Und dann kam der kurzfristige Wechsel der Mannschaft, dadurch ist viel Unruhe im Boot entstanden“, beschreibt Alyssa die Situation.

 

Im Vorlauf (Bahnverteilungsrennen) fuhren die Damen zunächst auf Rang vier. Im Finale hieß es dann, gegen die gleichen Gegner noch eine Schippe oben draufzulegen, um sich selbst mit einem vorderen Platz für das harte Training der letzten Jahre belohnen zu können. Alyssa berichtet von suboptimalen Ausgangsbedingungen und einer durch den kurzfristigen Selektionsprozess besonders angespannten Mannschaft: „Die Rahmenbedingungen waren schwierig. Erst drei Wochen vor der Qualifikationsregatta die finale Mannschaft bekannt zu geben - das war einfach sehr kurzfristig. Im Training fanden wir schnell einen guten Rhythmus, haben ihn aber auch immer wieder verloren. Es lief nicht so glatt wie im letzten Jahr, als wir viele Kilometer mit der Mannschaft sammeln konnten. Trotz allem haben wir das Beste aus der Situation gemacht.“

 

Im alles entscheidenden Finale auf dem Rotsee konnten sich die favorisierten Boote aus China und Rumänien bereits zur Streckenhälfte vom Rest des Feldes absetzen. Mit viel Engagement und einem unbändigen Kampfgeist kämpften sich Alyssa und ihr Team auf der Zielgeraden noch vor das Boot aus den Niederlanden und gewannen so die Bronzemedaille. Dennoch war die Enttäuschung verständlicherweise groß. Für das Olympiaticket hat es mit dem dritten Platz leider nicht gereicht. „Meine Mannschaft und ich waren einfach nicht genug eingefahren. Die Zusammensetzung lief für uns zu hektisch. Wir hatten nicht genug Zeit, um in der neuen Kombination wirklich gut zu trainieren. Und das war dann einfach schade.“ Wir finden: die Damen können trotz dieser Enttäuschung stolz auf ihre Entwicklung sein!

 

Alyssa bewertet das Ergebnis als solide: „Dritter Platz vor den Niederlanden und Russland ist schon okay“, so die Steuerborderin. „Im Vergleich zu unserem Stand vor eineinhalb Jahren ist das schon ein riesiger Schritt, keine Frage. Um allerdings das Tempo mithalten zu können, das an der Spitze gefahren wird, reicht es einfach noch nicht. Nichtsdestotrotz war ich mit der Mannschaft, mit der wir an den Start gegangen sind, sehr zufrieden“, stellt Alyssa klar.

 

Trainerwechsel im Team Frauenachter

 

Auch die kommenden Monate werden trotz verpasster Olympia-Qualifikation für das Team Frauenachter nicht weniger aufregend sein: Neuzugänge und ein großer Abschied stehen vor der Tür. Aus dem U23-Bereich steigen demnächst neue Talente mit ins Team ein. Die größte Veränderung betrifft allerdings nicht die Ruderinnen selbst, sondern ihren Trainer. Tom Morris wird aus privaten Gründen vorerst zurück nach Australien gehen und sich daher komplett aus dem Training des Frauenachters zurückziehen. Alyssa bedauert diesen Abschied sehr: „Der Ausstieg von Tom war für mich erstmal ein Schock. Er hat so viel mit uns aufgebaut, unsere gesamte Teamkultur basiert auf ihm. Natürlich werden wir alles, was wir bei ihm gelernt haben, in die Zukunft mitnehmen. Aber es wiegt schwer, einen so großen Baustein zu verlieren.“

 

Ab sofort koordiniert der neue Cheftrainer Christian Felkel das Training der Damen in Potsdam. „Er wird die Trainingspläne schreiben“, erklärt Alyssa. „Axel Müller ist derweil unser hauptverantwortlicher Trainer, gemeinsam mit Sven Ueck.“

 

Alles in allem schätzt Alyssa die aktuelle Situation als unruhig ein. Als Profi-Leistungssportlerin gibt sie sich dennoch gewohnt kämpferisch: „Wir müssen das jetzt verkraften und weitertrainieren, um die nächsten Ziele, die wir haben, zu erreichen. Die Weltmeisterschaften im Herbst 2021 stehen in unseren Terminkalendern und auch längerfristig im Hinblick auf die Olympischen Spiele 2024 in Paris gibt es noch viel zu tun.“

 

Die nächste Etappe des Teams Frauenachter sind die Ruder-Weltmeisterschaften 2021 in Shanghai. „Wir gehen jetzt erst einmal zurück in das Basic-Wintertraining, weil die WM erst im Oktober stattfindet“, berichtet Alyssa über das nun eingeschlagene Trainingskonzept. „Das heißt für uns, dass wir jetzt in einem Sechs-Wochen-Block wie im Winter trainieren. Wir gehen morgens rudern, danach auf das Ergometer und machen nachmittags eine Krafteinheit. Mittwochs und samstags stehen Tests an. Am Ende des Blocks fahren wir einen Ergotest sowie eine Zweier-Ohne-Matrix. Es wird also durchgetauscht und jeder fährt mit jedem ein Rennen. Danach haben wir erstmal drei Wochen Urlaub und gehen im Anschluss in die Mannschaftsbildung für die Weltmeisterschaft.“

 

Kopf hoch, Alyssa. Es geht weiter, immer weiter. Der Ruder-Club Tegel steht hinter dir, und wir freuen uns darauf, dich im Oktober in Shanghai wieder anfeuern zu dürfen! Bis dahin wünschen wir dem gesamten Team alles Gute und einen erholsamen Sommer.

 

 

Männer-Achter ist zurück im Spiel

 

Der deutsche Männer-Achter hat sein Olympiaticket bereits seit zwei Jahren in der Tasche. Daher startete das Team um Olaf Roggensack vom Ruder-Club Tegel eine Woche später (21. – 23. Mai) auf dem Weltcup II, ebenfalls in Luzern.

 

Für den Männer-Achter hieß die Mission diesmal größtmögliche Schadensbegrenzung. Auf den Europameisterschaften Anfang April in Varese steckte das deutsche Flaggschiff für viele überraschend eine herbe Niederlage ein. Nach einer überzeugenden ersten Streckenhälfte ließen die Deutschen sowohl den Erzrivalen Großbritannien als auch Rumänien und die Niederlande ziehen. Keine Medaille bedeutete große Enttäuschung und eine Trainingsumstellung für Olaf und sein Team. Nachdem der Weltcup I durch zu wenig Meldungen für den Deutschlandachter ausgefallen war, gab es auf dem Schweizer Rotsee nun endlich die Chance auf eine Revanche. Und es sollte spannend werden.

 

Ein erstes beeindruckendes Signal sendete das deutsche Boot im Bahnverteilungsrennen mit einem hauchdünnen Sieg von 19 Hundertstelsekunden Vorsprung vor dem britischen Achter. Das Kopf-an-Kopf-Rennen versprach Hochspannung für das Finale am Sonntag.

 

Und die Zuschauer wurden nicht enttäuscht. Vom Startschuss an lieferten sich beide Boote ein packendes Rennen. Beeindruckend auch die Fernsehbilder der beiden Steuermänner, wie sie ihre Teams bis auf die Ziellinie anpeitschten. Erarbeitete sich der Deutschlandachter auf der ersten Streckenhälfte einen hauchdünnen Vorsprung, so blieben die Briten bissig und schenkten den Gegnern nichts. Besonders auf den letzten dreihundert Metern vor der Zielgeraden wechselte die Führung Schlag um Schlag zwischen dem deutschen und dem britischen Boot hin und her. Am Ende jedoch entschied der letzte Ruderschlag. Gold für Großbritannien mit unglaublichen 0,03 Sekunden Vorsprung vor Deutschland.

 

Für Außenstehende schwer verständlich nach solch einem mitreißenden Rennen zeigte sich die deutsche Mannschaft bei der Siegerehrung sichtlich enttäuscht über ihre knappe „Niederlage“ – sofern man denn hier von einer Niederlage sprechen kann, handelte es sich doch um sage und schreibe 3 Hundertstelsekunden. Uns in Erinnerung geblieben ist vor allem eines der spannendsten Achterrennen der letzten Jahre und eine deutsche Mannschaft, die auf beeindruckende Art und Weise bewies, dass sie nach harten Trainingswochen zurück ist. Zurück in der absoluten Weltspitze und zurück im Kampf um olympisches Gold. Der Ruder-Club Tegel gratuliert zu dieser starken Leistung!

 

Auf dem Weg nach Tokio

 

„Tatsächlich war das Wochenende in Luzern zunächst ein Schritt in die richtige Richtung“, bewertet Olaf die Rennen. „Das Ergebnis war erst einmal sehr enttäuschend, nachdem wir die ganze Strecke über kämpften, und uns auf den letzten Metern dann doch so knapp geschlagen geben mussten. Aber betrachtet man die gesamte Entwicklung seit der EM im April, so sieht man, dass wir auf dem richtigen Weg sind.“ Auch wenn es in Luzern „nur“ für Silber reichte, bewies das Team um Olaf, dass es sich bei der Niederlage auf der Europameisterschaft um eine absolute Ausnahme handelte.

 

Wer den Deutschlandachter vor den Olympischen Spielen noch einmal in Action erleben möchte, der hat dazu vom 04.- 06. Juni Gelegenheit. Dann starten die deutschen Hünen beim Weltcup III in Sabaudia (Italien) erneut, um mit der größtmöglichen Rennerfahrung anschließend nach Tokyo zu fahren. „Den Weltcup in Sabaudia werden wir mehr oder weniger aus dem Training heraus fahren“, berichtet Olaf. „Von Italien aus fahren wir dann direkt in die erste unmittelbare Wettkampfvorbereitung (UWV) nach Völkermarkt (Österreich). Dort erwarten uns harte Trainingswochen, die uns optimal auf unser großes Ziel, das olympische Finale, vorbereiten sollen. Am 31. Juni geht es dann nach Japan in die zweite UWV. Es geht jetzt also Schlag auf Schlag los.“

 

Wir freuen uns auf äußerst spannende Rennen in dem diesjährigen sehr engen internationalen Achterfeld. Auf ihrem Weg dorthin wünschen wir Olaf und seiner Mannschaft viel Erfolg und immer 3 Hundertstelsekunden Vorsprung vor ihren Gegnern!