Landesruderverband Berlin e.V.

„Veränderungen müssen kommen“

Mit dem 1. Berliner Rudertag am 19. März 2017 begann eine neue Zeit beim Landesruderverband Berlin: Auf der Tagesordnung standen Neuwahlen des Vorstands, DOSB-Leistungssportreform, Schlüsselübergabe für den neuen Anbau am Landesleistungszentrum und Ehrung der erfolgreichen Spitzensportler und Nachwuchstalente als Dank und Ansporn.
Die über 200 Teilnehmer und Gäste spüren das Besondere des Tages auf den ersten Blick: Die große Sporthalle im Ruderzentrum am Jungfernheideweg, wo normalerweise die Kaderathleten trainieren, war festlich geschmückt: Tische weißgedeckt, Stühle dicht gestellt, die Flaggen der 59 Mitgliedsvereine aufgefädelt und an der Stirnseite ein übergroßes Foto mit den glücklichen Olympiasiegern 2016 im Doppelvierer. Ein erster optischer Hinweis auf die erfolgreiche Bilanz des Landesruderverbandes, der zu den größten, traditionsreichsten und medaillenträchtigsten Berliner Sportfachverbänden gehört. Allein das Ergebnis der Olympischen Spiele in Rio spricht für sich. Der DRV kehrte mit zwei Gold- und einer Silbermedaille zurück. An allen drei Medaillen waren Berliner beteiligt - als Athleten und Trainer.

Leistungssport-Konzept – ein lebendiges Papier
Dass sich der LRV auf diesen Erfolgen nicht ausruht, machte der Vorsitzende Karsten Finger in der Jahresversammlung, mit der der 1. Berliner Rudertag beginnt, gleich am Anfang klar: „Veränderungen müssen kommen.” Er spricht zunächst über die DOSB-Leistungssportreform und dankt dem DRV-Vorsitzenden Siegfried Kaidel als Sprecher der DOSB-Spitzensportverbände für sein Engagement und erntet dafür viel Beifall. Zugleich betont er, dass die Leistungssportreform aus seiner Sicht nur eine Art Umverteilung ist. „Wir hatten die Hoffnung, etwas mehr Geld zu bekommen für die Leistungen, die wir für den deutschen Sport erbringen.” Klar sei, dass es eine Konzentration der Kräfte geben muss. „Aber ich hoffe, dass in vielen Punkten noch nicht das letzte Wort gesprochen ist und man gemeinsam versucht, das beste Konzept für den deutschen Rudersport umzusetzen, um weiterhin zu den Top-3-Nationen im Rudersport zu gehören.” In diesem Zusammenhang spricht er auch über den Nachwuchs. „Es kann nicht schaden, mehr für die Junioren zu tun, um mehr in die Spitze zu bekommen.” Sein Sohn Anton gehört übrigens zu den hoffnungsvollsten Talenten in der deutschen Ruderwelt.
Auch Siegfried Kaidel bezeichnet in seinem Grußwort die Stärkung der Vereine in der Nachwuchsarbeit als wichtiges Ziel. In Bezug auf die Leistungssportreform sagte er, es sei inakzeptabel, dass Sportler in Vorbereitung auf Olympische Spiele 30.000 km auf der Autobahn verbringen, um an ihre Trainingsorte zu gelangen. Der DRV werde dem DOSB und dem BMI bis Ende April ein Konzept vorlegen, wie die Reform im Deutschen Ruderverband umgesetzt werden kann. „Das ist ein lebendiges Papier. Anpassungen sind immer möglich”, verspricht er. 

Rudern ist mehr
„Rudern ist mehr” - so lautet eines der Schlagworte in dem Bericht von Karsten Finger. Rudern – das sind auch Sternfahrten und aktives Ruderleben mit An- und Abrudern. Er dankt dem ESV Schmöckwitz und dem Friedrichshagener RV, wo der LRV in den letzten Jahren offiziell die Saison eröffnet und beendet hat und lädt nach Friedrichshagen ein. Dort wird in diesem Jahr am 6. Mai der DRV-„Tag des Rudersports” und das 125. Jubiläum „Rudern in Friedrichshagen“ gefeiert. „Rudern ist mehr” - das bedeutet auch, so Karsten Finger, „wir sind dabei, wenn es um die Renaturierung des Müggelsees, die Havelerweiterung und den Schleusenausbau geht”. Das sei viel Arbeit, die nur zu leisten sei, wenn sie auf mehrere Schultern verteilt wird. Unter Beifall dankt er seinen Vorstandskolleginnen Gabriela Brahm, Angela Haupt und Ingrid Ehwalt. Sie zeichnen beim anschließenden Flaggentag wieder viele Wanderruderinnen und -ruderer aus, die das 40., 45. oder 50. Fahrtenabzeichen oder den Äquatorpreis erworben haben.
„Rudern ist mehr” - das schließt auch die vielen Aktionen zur Werbung für den Rudersport mit Ergometern ein: u. a. beim Familiensportfest im Olympiapark Berlin in diesem Jahr am 3. September und beim Internationalen Deutschen Turnfest zu Pfingsten in Berlin. „Wir überzeugen die Turner vom Rudern”, sagt er ein bisschen verschmitzt.

Drei Vorstandsposten unbesetzt
„Rudern ist mehr” - bedeutet auf jeden Fall: ehrenamtliches Engagement. „Wenn ich mich hier umsehe, stelle ich fest: Hier sitzen immer Dieselben.” Was er sagt, ist vielen der Anwesenden bekannt: Immer mehr Vereine können ihre Vorstandsposten nicht mehr besetzen. Händeringend werden Regattahelfer gesucht, ansonsten muss die Frühregatta abgesagt werden. Bei der Jahresversammlung der Ruderjugend sind nur neun Vereine vertreten. Der LRV-Vorsitzende findet deutliche Worte: „Vereine, die sich mit Siegen bei Regatten feiern, schmücken sich nicht mit großen Helferzahlen.”  Er droht mit einer Zwangsabgabe für jene Vereine, die keine Helfer melden. LSB-Ehrenpräsident Peter Hanisch knüpft in seinem Grußwort an das Thema an Nachwuchssuche im Ehrenamt an: „Ruderer können allen Widrigkeiten trotzen. Als ehemaliger Vorsitzender der Deutschen Sportjugend lege ich Ihnen die Jugendarbeit ans Herz. Im Interesse unserer Zukunft”, sagt der heute 81-Jährige aus tiefster Überzeugung.
Ehrenamtliche Mitarbeiter zu finden, ist ein gesamtgesellschaftliches Problem, das auch der Landesruderverband zurzeit auf allen Ebenen zu spüren bekommt. Bei den Vorstandswahlen können drei Posten in den Bereichen Lehrgangswesen und Handicap-Rudern nicht besetzt werden, weil es keine Kandidaten gibt. Monika Tampe, Frank Kegler und André Kjulbassanoff hatten nicht wieder kandidiert.

Ehrungen für verdienstvolle Persönlichkeiten
Monika Tampe wurde für ihre Verdienste um das Para-Rudern in Berlin und Deutschland mit der Goldenen LRV-Ehrennadel ausgezeichnet. „Es ist ihr Verdienst”, sagte Karsten Finger, „dass Handicap-Ruderinnen und -Ruderer inzwischen selbstverständlich an Regatten teilnehmen, u. a. an der Früh- und Sommerregatta und an der Internationalen Langstreckenregatta Quer durch Berlin.” Die Ehrenmitgliedschaft des Landesruderverbandes erhielten Dieter Altenburg, der sich über viele Jahre für den Leistungssport engagierte und aus Altersgründen nicht mehr für den Vorstand kandidierte, und DRV-Ehrenmitglied Hans-Joachim Behrendt, der sich immer auch auf Bundesebene für die Berliner Interessen eingesetzt hat.

Beitragserhöhung
Wiedergewählt wurden anschließend der Vorsitzende Karsten Finger, die Stellvertreter Thomas Haun (Finanzen/Verwaltung und Gabriela Brahm (Breitensport) sowie die Ressortleiter Jörg Ingenhütt und Deborah Jautzke (Regattawesen), Angela Haupt (Ruderreviere und Umwelt), Ingrid Ehwalt (Veranstaltungen und Wettbewerbe) und Dr. Lutz Reinhardt als Beisitzer Leistungssport. Neu im LRV-Vorstand arbeiten jetzt Stephan Krajewski (Leistungssport), Dr. Frank-Roman Lauter (Beisitzer Leistungssport) und Sebastian Müller, der als neuer Vorsitzender der Ruderjugend bestätigt wurde. „Die Aufgaben der freigebliebenen Posten verteilen sich dann auf die drei hauptamtlichen Mitarbeiter der Geschäftsstelle oder müssen extern eingekauft werden”, sagt Karsten Finger nicht ohne Resignation. Die Folgen sind sogar noch weitreichender. Der LRV-Vorstand schlägt vor, zum Ausgleich des Etatdefizits die Jahresmitgliedsbeiträge der Vereine um 0,50 Cent pro Erwachsenen zu erhöhen. „Das reicht nicht”, sagt Heike Stich vom Frauen-Ruder-Club am Wannsee. Sie fordert eine Verdopplung um 1 Euro auf 13.50 Euro vor, „wenn der Verband weiterhin Tariflohn zahlen will und ehrenamtliche Arbeit eingekauft werden muss”. Matthias Herrmann, Vorsitzender der RG Wiking und des LRV-Prüfungsausschusses, sieht das genauso. Die Jahresversammlung beschließt die Verdopplung, zumal die finanzielle Situation auch deshalb schwierig ist, weil der LRV keinen Hauptsponsor findet. In Berlin, einer Stadt mit 130 Bundesligamannschaften, ist die Konkurrenz auch auf diesem Gebiet groß.

Erweiterungsanbau verbessert Trainingsmöglichkeiten
Der neue Erweiterungsanbau im Landesleistungszentrum ist der Beweis dafür, dass der Landesruderverband und seine Vereine trotzdem nach vorn blicken. Im Anschluss an die Jahresversammlung übergab die Architektin Anne Lampen den Schlüssel für den Neubau an Karsten Finger. Mit dabei waren u. a. DRV-Vorstandsmitglied Uwe Graf, Rolf Holzschuher, Präsident des LRV Brandenburg und Volker Garmatter, Vizepräsident des LRV-Brandenburg, Thomas Härtel, Vizepräsident des LSB Berlin und begeisterter Freizeit-Ruderer, Helmut Kleebank, Bezirksbürgermeister von Spandau, Heike Schmitt-Schmelz, Sport-Bezirksstadträtin von Charlottenburg-Wilmersdorf, die sich in ihrem Grußwort als Ruderin und Mitglied des Vereins Pro Sport Berlin 24 outete, der zwei Wochen zuvor als Berlins aktivster Wanderruderverein vom LRV mit dem „Blauen Wimpel” ausgezeichnet worden war.
Anwesend waren außerdem die LRV-Ehrenmitglieder Udo KorgitzschHeinz Gottschalk und Volker Müller sowie viele Träger der Goldenen Ehrennadel, unter ihnen auch Dr. Dieter Wendt und Christel Krellenberg. Berlins Sportstaatssekretär Chistian Gaebler würdigte in seinem Grußwort den LRV als einen verlässlichen Partner. Der ehrenamtliche Fußballschiedsrichter musste an diesem Sonntag zum Spiel und den 1. Berliner Rudertag früher verlassen. Deshalb fehlt er auf dem Foto in der neuen Halle.Der erste Spatenstich für diesen Erweiterungsanbau war vor einem Jahr im Mai 2016. Seitdem wurde die Trainerbootskapazität vergrößert, ein neuer Kraftraum errichtet und ein umweltfreundliches Blockheizkraftwerk zur Energieversorgung angeschlossen. Die Baumaßnahmen kosteten insgesamt rund 1,5 Millionen Euro und wurden mit Mitteln des Bundesinnenministeriums sowie mit Lotto-Mitteln finanziert. Das Ruderzentrum steht seit über 40 Jahren. Es wurde zwischenzeitlih saniert und ausgebaut. Dennoch reichte die Kapazität nicht mehr aus, weil der Standort Berlin als Leistungssportstützpunkt für den Rudersport im Zusammenhang mit der DOSB-Leistungssportreform weiter an Attraktivität gewinnt. Die Kaderathleten schauen jetzt beim „langen Ergometer-Training durch große Fensterscheiben in den Wald”, sagt  Architektin Anne Lampen. Dennoch kommentiert Siegfried Kaidel – im heimatlichen Fränkisch: „Is allet jut hier. Erfolgreiche Sportler, erfolgreiche Trainer. Aber zufrieden sind wir noch nicht.” Der Erweiterungsbau sei nur ein Anfang. „Wir brauchen mehr Bootshallen und mehr Unterkünfte. Wenn wir hier einen Leitstützpunkt aufbauen wollen, müssen wir investieren,” sagte er. 

Neues LRV-Boot auf den Namen „Rio“ getauft
Der LRV ist bereit dazu und untermauert seine feste Absicht unter anderem auch mit einer Bootstaufe. Mit Hilfe von Senatsmitteln wurde ein Doppelvierer angeschafft, der im  Juniorenbereich eingesetzt werden soll. Erfolgstrainer Alexander Schmidt tauft das neue Boot auf den Namen Rio mit den Worten: „Vielleicht können die Sportler, die darin rudern, auch einmal an Olympischen Spielen teilnehmen.“ Er hat im vergangenen Jahr in Rio den Doppelvierer der Männer zu Gold geführt.  Nicht zuletzt deshalb überreicht ihm Uwe Graf beim 1. Berliner Rudertag die Goldene Ehrennadel des DRV. Danach werden beim Flaggentag erfolgreiche Spitzensportler, wie Andreas Kuffner und Karl Schulze, geehrt. Traditionsgemäß aber auch viele Nachwuchssportlerinnen und –sportler. Einige von ihnen knüpfen vielleicht in den kommenden Jahren an den Erfolg des Doppelvierers an.
Text: Angela Baufeld  Fotos: Jürgen Engler